Auszug aus Gutachten des Deutschen Notarinstituts - Bosch & Knöbl GbR

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Auszug aus Gutachten des Deutschen Notarinstituts

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Gutachten des Deutschen Notarinstituts
Abruf-Nr.:                              134324
letzte Aktualisierung:      12.  Mai  2014
 
 
EnEV §§ 1, 16 Abs. 2 n. F.
Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises beim Verkauf von abriss- bzw. sanierungsbedürftigen Gebäuden
 
I. Sachverhalt
 
Mit Wirkung vom 1.5.2014 haben sich Neuregelungen zur Energieausweispflicht gem. § 16 Abs. 2 EnEV ergeben. Insbesondere dürfte spätestens seit diesem Zeitpunkt ein Verzicht des Grundstückskäufers auf Vorlage eines Energieausweises nicht mehr zulässig sein. Die Vorlagepflicht erscheine Ihnen allerdings in jenen Fällen problematisch, in denen der Vertragsgegenstand ohnehin abgerissen oder durch den Käufer umfassend saniert werden soll. Sie weisen darauf hin, dass ein Indiz für einen entsprechenden Sachverhalt zumeist darin liegen dürfte, dass in diesen Fällen zwar der Kaufpreis für den Vertragsgegenstand gering ist, aber die Bank des Käufers um die Bestellung einer Finanzierungsgrundschuld bittet, deren Nominalwert den Kaufpreis deutlich übersteigt, sodass es naheliege, dass der Käufer entweder in ein „neues“ Haus investiert oder aber das vorhandene Haus umfassend saniert. Darüber hinaus stünden in diesen Fällen  auf  Verkäuferseite  nicht  selten ältere Menschen oder deren Erben, so dass ein „Investitionsrückstau“ durchaus glaubwürdig erscheine.
 
II. Fragen
 
Besteht eine Energieausweisvorlagepflicht auch in jenen Fällen, in denen der Vertragsgegenstand aufgrund seiner Sanierungsbedürftigkeit ohnehin abgerissen werden soll?
 
Ist die Vorlage eines Energieausweises dann entbehrlich, wenn der Vertragsgegenstand für den Käufer erkennbar sanierungsbedürftig ist und dieser zwar keinen Abriss, aber eine umfassende Sanierung des Vertragsgegenstandes beabsichtigt?
 
III. Zur Rechtslage
 
1.    Rechtlicher Rahmen der Energieausweisvorlagepflicht gem. § 16 EnEV
 
aa) Kursorischer Überblick über die Änderungen zum Energieausweis
 
Insgesamt hat der EU-Richtliniengeber durch die Neuregelungen zum Energieausweis in den Artt. 11-13 der Richtlinie 2010/31/EU die Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von neuen Gebäuden im Rahmen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit  angehoben, die Vorschriften  über  Energieausweise  weiterentwickelt, eine Pflicht zur Angabe energetischer Kennwerte in Immobilienanzeigen vorgesehen und die Grundlagen für ein unabhängiges Stichprobenkontrollsystem für Energieausweise und Inspektionsberichte über Klimaanlagen gelegt. In diesem Zusammenhang machen wir insbesondere auf folgende Neuregelungen aufmerksam:
 
-      Neue Anforderungen an den Inhalt von Energieausweisen (Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie),
-      Einführung einer Hinweispflicht im Energieausweis, um genauere Angaben erhalten zu können (Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie),
-      Verschärfung der Verpflichtung zur Vorlage von Energieausweisen aus Anlass des Baus, des Verkaufs oder der Vermietung
        v
on Gebäuden („die Mitglied- staaten schreiben vor“ statt die Mitgliedstatten stellen sicher in der ursprünglichen                             Richtlinie, Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie),
-      Einführung einer nachträglichen Vorlagepflicht bei verkauften oder vermieteten Gebäuden, die erst noch errichtet werden                       müssen (Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie),
 
-      Einführung einer Pflicht zur Angabe des Indikators der Gesamtenergieeffizienz in Prospekten (Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie),
 
-      Ausbau der Verpflichtung zum Aushang von Energieausweisen in Gebäuden mit Publikumsverkehr (Art. 13 der Richtlinie).
 
 
2.    Anwendung der EnEV beim Verkauf von abriss- bzw. sanierungsbedürftigen Gebäu- den
 
Zu der Frage, ob die Vorlage eines Energieausweises bei einem Verkauf eines abriss- bzw. sanierungsbedürftigen Gebäudes entbehrlich ist, ist dem Gesetz keine unmittelbare Aussage zu entnehmen; entsprechende Ausnahmetatbestände enthält die EnEV jedenfalls nicht.
 
a)   Nationaler und europäischer Gesetzeszweck
 
In § 1 Abs. 1 EnEV (n. F.) beschreibt der Gesetzgeber den Zweck und Anwendungs- bereich der Energiesparverordnung allerdings wie folgt:
 
„(1) Zweck dieser Verordnung ist die Einsparung von Energie in Gebäuden. In diesem Rahmen und unter Beachtung des gesetzlichen Grundsatzes der wirtschaftlichen Vertretbarkeit soll die Verordnung dazu beitragen, dass die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, insbesondere ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis zum Jahr 2050, erreicht werden. …“.
  
In der europäischen Richtlinie (2010/31/EU), die der Novellierung der Energieeinsparverordnung zugrunde liegt, heißt es im Erwägungsgrund Nr. 22:
 
„Der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz sollte potenziellen Käufern und Mietern von Gebäuden oder Gebäudeteilen zutreffende Informationen über die Gesamtenergieeffizienz des Ge- bäudes sowie praktische Hinweise zu deren Verbesserung liefern. …“.
 
Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie muss der Ausweis die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und Referenzwerte enthalten, um den Eigentümern oder Mietern von Gebäuden oder Gebäudeteilen einen Vergleich und eine Beurteilung ihrer Gesamtenergieeffizienz zu ermöglichen. Überdies muss der Ausweis Empfehlungen für die kostenoptimale oder kosteneffiziente Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes oder Gebäudeteils enthalten, es sei denn, es gibt kein vernünftiges Potenzial für derartige Verbesserungen gegenüber den geltenden Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz, Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie. Die Mitgliedstaaten sind dazu verpflichtet, im nationalen Recht vorzuschreiben, dass bei Bau, Verkauf oder Vermietung von Gebäuden oder Gebäudeteilen der Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz oder eine Kopie dieses Ausweises dem potenziellen neuen Mieter oder Käufer vorgelegt und dem neuen Mieter oder Käufer ausgehändigt wird, Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie.
 
b)    Kein Energieausweis beim Verkauf eines Gebäudes, dass der Käufer abreißen möchte
 
Mit Blick auf den vorstehenden Gesetzeszweck erscheint es uns sinnwidrig, in solchen Fällen eine Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises anzunehmen, in denen das zu veräußernde Gebäude so marode ist, dass der Käufer ohnehin beabsichtigt, dieses abzureißen. In diesen Fällen vermag der Energieausweis weder einen – für den Käufer sinnvollen Hinweis auf die Energieeffizienz noch konkrete (objektbezogene) Empfehlungen zu Energieeinsparmaßnahmen zu geben (in diesem Sinne äußert sich auch Söfker, in: Danner/Theobald, Energierecht, 78. EL 2013, § 16 EnEV Rn. 21, allerdings noch zum alten Rechtsstand; Hertel, DNotZ 2014, 258, 262). Auch der europäische Gesetzgeber geht davon aus, dass zum einen die im Energieausweis ausgesprochenen Empfehlungen technisch realisierbar sein müssen und zum anderen die hiermit verbundenen Einsparpotentiale sich auf die „wirtschaftliche Lebensdauer“ des Gebäudes zu beziehen haben, Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie. Es wäre mithin unsinnig, einen Energieausweis zu verlangen, wenn das Gebäude, auf das sich die energetischen Angaben und Empfehlungen beziehen, abgerissen werden soll. Dies gilt freilich auch dann, wenn das Gebäude zwar nicht marode ist, aber aus sonstigen Gründen abgerissen werden soll.
 
U. E. besteht keine Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises, wenn der Erwerber das Objekt in der Absicht erwirbt, dieses abzureißen. Vorsorglich müssen wir allerdings darauf hinweisen, dass wir mit Ausnahme der vorgenannten Fundstellen keine weiteren Stellungnahmen in der Literatur oder Rechtsprechung ausfindig machen konnten, die das vorstehende (teleologische) Auslegungsergebnis stützen.
 
c)   Energieausweis beim Verkauf eines „nur“ sanierungsbedürftigen Gebäudes
 
In den Fällen, in denen das zu veräußernde Gebäude zwar erkennbar sanierungsbedürf tig ist, aber vom Käufer nicht abgerissen werden soll, ist die Frage, ob eine Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises besteht, deutlich schwieriger zu beantworten. Eine Antwort lässt sich wohl auch hier nur mit Blick auf den Gesetzeszweck, mlich die Beurteilung der Gebäudeenergieeffizienz und die Empfehlung von Verbesserungen finden.
 
Sofern der Erwerber ohnehin eine umfassende energetische Sanierung beabsichtigt, spricht sicherlich gegen eine Vorlagepflicht, dass der Ausweis zeitnah seine Aussagekraft  verlieren  würde.  Es  erschiene  als  eine „bürgerfeindliche“ Förmelei,  in  diesen Fällen einen Energieausweis zu verlangen, der alsbald gegenstandslos wird.
 
Der Sinn und Zweck der Vorlage eines Energieausweises ist u. E. vor allem darin zu sehen, dass der Käufer im Interesse des Klimaschutzes zu energetischen Einsparmaßnahmen „ermuntert“ und über Einsparpotentiale unterrichtet wird. Dieser Gesetzeszweck ist indes bereits dann gewährleistet, wenn der Käufer ohnehin zu einer – zumindest umfassenden und nicht nur punktuellen – Sanierung des Gebäudes entschlossen ist. Der Vorlage eines Energieausweises bedarf es dann zur Gesetzeszweckerreichung nicht mehr. Unseres Erachtens ist daher die Vorlage eines Energieausweises dann nicht erforderlich, wenn die vom Käufer beabsichtigen Maßnahmen einem Neubau nahezu gleichkommen (z.B. Kauf eines alten Hauses mit anschließender Totalsanierung; unklar Hertel, DNotZ 2014, 258, 262). In diesen Fällen vermag der Energieausweis dem Käufer wohl auch keine sinnvollen Anregungen mehr zu   geben,   die   über   die   beabsichtigte   (umfassende)   Sanierung   des   Gebäudes hinausgehen. Zumindest darf man hier erwarten, dass solche Maßnahmen vom Käufer unter Hinzuziehung von fachkundigem Rat durchgeführt werden, so dass der Gesetzeszweck nicht gefährdet erscheint.
 
Gleichviel, ob man in der EnEV ein Verbraucherschutzgesetz oder eher ein energiepolitisches   Lenkungsgesetz   sieht,   scheint   im   Fall   einer   ohnehin   beabsichtigten umfassenden Sanierung der jeweilige Gesetzeszweck nicht gefährdet und demzufolge die Vorlage eines alsbald gegenstandslosen Energieausweises entbehrlich zu sein.
 
In den sonstigen Fällen des Verkaufs eines sanierungsbedürftigen Gebäudes dürfte allerdings von einer Pflicht zur Vorlage eines Energieausweises anzugehen sein. Auch wenn dem Objekt die schlechte Energieeffizienz anzusehen und demzufolge eine Beurteilung der Gebäudeeffizienz quasi aufgrund „Offenkundigkeit“ dem Käufer selbst möglich ist, könnten die im Energieausweis enthaltenen Verbesserungsempfehlungen dazu beitragen, dass sich der Käufer künftig mit solchen Maßnahmen befasst. Überdies wird dem Erwerber sein „ökologische“ Fußabdruck im Falle des Nichthandelns vor Augen geführt,  d. h.  der  Energieausweis  entfaltet  in  dieser  Situation  weiterhin  seinen appellativen Charakter, im Interesse des Klimaschutzes tätig zu werden. Dies gilt auch und erst recht, wenn das Gebäude sanierungsbedürftig ist. Es erscheint daher dem Sachbearbeiter eher fernliegend, dass die Gerichte in solchen Fällen eine Befreiung von der Vorlagepflicht annehmen werden (vgl. auch Hertel, DNotZ 2014, 258, 262)
 
d)   Ergebnis
 
Unseres Erachtens ist die Vorlage eines Energieausweises nicht erforderlich, wenn das zu veräußernde Gebäude durch den Käufer ohnehin abgerissen oder zumindest umfassend saniert werden soll. In den sonstigen Fällen eines Verkaufes eines sanierungsbedürftigen Gebäudes dürfte indes von einer Vorlagepflicht auszugehen sein. Wir möchten allerdings abschließend nochmals darauf hinweisen, dass einschlägige Rechtsprechung nicht ersichtlich ist, weshalb die Rechtslage als bislang ungeklärt bezeichnet werden muss.
 
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